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Express Köln 08.10.2005

Frau des Tages

Neue Aufgabe für Jutta Limbach


Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts wurde in den Weisenrat zur Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gewählt. Mit zehn Kollegen überlegt sie dort, wie das Gericht seine Arbeit besser organisieren kann - damit die Menschen schneller zu ihrem Recht kommen.

Ausbildung und beruflicher Werdegang:

  • 1958 1. Staatsexamen
  • 1962 2. Staatsexamen
  • 1963-66 Akademische Rätin am Fachbereich Rechtswissenschaft der FU Berlin
  • 1966 Promotion; Thema: Theorie und Wirklichkeit der GmbH
  • 1971 Habilitation; Thema: Das gesellschaftliche Handeln, Denken und Wissen im Richterspruch
  • 1972 Professorin am Fachbereich Rechtswissenschaft der FU Berlin
  • 1982 Gastprofessur in Bremen
  • 1987-89 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
  • seit 1987 Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Gesetzgebung
  • 1989-94 Senatorin für Justiz des Landes Berlin
  • 1992-93 Mitglied der Gemeinsamen Verfassungskommission des Bundesrats und Bundestags
  • März 1994 Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts,
    Vorsitzende des Zweiten Senats
  • 1994 - 2002 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts
  • Am 17. Januar 2002 Wahl zur Präsidentin des Goethe-Instituts
 
 

     
 
Zum Tode Jutta Limbachs

Eine große Juristin mit klaren Überzeugungen
 
"Das Leben ist ein Lernprojekt, bis zum letzten Atemzug." Diese Devise vertrat die Juristin Jutta Limbach mit Leidenschaft. Sie wurde als erste Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, sie war Berliner Justizsenatorin und Präsidentin des Goethe-Instituts.
 
Stand: 12.09.2016 14:56 Uhr
 
www.tagesschau.de/inland/limbach-109.html
 
 

 
 

     
   
  Vorwort zum Grundgesetz  
     
  Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland  
     
 
Vorwort zum Grundgesetz von Prof. Dr. Jutta Limbach (SPD), ehem. Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Mitglied des Weisenrates vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Grundfreiheiten



Am 1. September 1948, also vor 50 Jahren, versammelten sich in Bonn im Museum König die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, um eine demokratische Verfassung zu erarbeiten. In rund neun Monaten entwarfen sie ein Grundgesetz, das als eine Übergangsverfassung das staatliche Leben in den drei westlichen Besatzungszonen vorläufig ordnen sollte. Wider erwarten war dieser Verfassung, die sich im Ost-West-Konflikt als die überlegene erwiesen hat, Dauer beschieden. Sie überdauerte das Ende der deutschen Teilung und wurde schließlich zur gesamtdeutschen Verfassung. Auch diejenigen, die die wiedergewonnene Einheit Deutschlands gern zum Anlaß für einen gemeinsamen Verfassungsdiskurs genommen hätten, teilen den Stolz auf das Grundgesetz.



Unter der Herrschaft dieser Verfassung haben die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland bald ein halbes Jahrhundert in Frieden gelebt. Die zunehmende innere Souveränität unserer Demokratie ist gewiß auch den charakteristischen Vorzügen des Grundgesetzes zu danken. Ein Geheimnis seiner Leistungsfähigkeit liegt darin begründet, daß es sich nicht in einem Arsenal politischer Instrumente für politische Zwecke erschöpft. Auf den Spuren der Verfassung der Paulskirche haben die Autoren des Grundgesetzes das Staatsorganisationsrecht mit den Grundrechten zur einer Einheit zusammengefasst.



Die bittere Erfahrung der vorausgegangenen Diktatur hatte sie gelehrt, daß die Demokratie ohne die Geltung der Grundrechte nicht bewahrt werden kann. Diese Einsicht veranlasste die Frauen und Männer des Parlamentarischen Rates, die Menschen- und Freiheitsrechte als einklagbare Rechtstitel in das Verfassungsgesetz umzusetzen.
Darüber hinaus haben sie sich zum Vorrang der Verfassung bekannt. Art. 1 Abs. 3 GG sagt ausdrücklich, daß die Grundrechte die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung als unmittelbar geltendes Recht binden.



So ist es Aufgabe aller Staatsgewalten, die Grundrechte zu respektieren und die freiheitlich- demokratische Grundordnung zu sichern. Insbesondere ist es Sache aller Gerichte, den Schutz im Einzelfall sicherzustellen. Kraft dieses Rechtsschutzes sind die Grundrechte zu einem wesentlichen Element unserer Demokratie geworden. Die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts hat wesentlich dazu beigetragen, daß das Grundgesetz konkrete Gestalt gewonnen und in unserem Gemeinwesen Wurzeln geschlagen hat (Konrad Hesse). Dessen Grundrechtsjudikatur hat ein Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger dafür geschaffen, daß sie staatlichen Maßnahmen nicht wehrlos ausgesetzt sind. Ihrem Rechtssinn und nicht zuletzt ihrem Widerspruchsgeist ist es zu verdanken, daß das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Menschen- und Freiheitsrechte tätig werden kann. Mitunter allerdings scheint es, als betrachteten die Deutschen das Grundgesetz  vorzugsweise unter dem Gesichtpunkt der eigenen einklagbaren Rechte. Jedenfalls lassen die sich immer wieder ereignenden Akte von Fremdenfeindlichkeit und die dabei häufig zu beobachtende Passivität der Umwelt daran zweifeln, daß die Sensibilität für die Menschenrechte in Deutschland allgemein verbreitet ist. Der für die Alt-Bundesrepublik in den letzten Jahren demoskopisch verbürgte Stolz der Deutschen auf ihr Grundgesetz gestattet noch nicht den Schluß, daß sie sich insgesamt zu Verfassungspatrioten entwickelt haben.



Gegenwärtig diskutieren wir besorgt das Leistungsvermögen der freiheitlichen und  sozialstaatlichen Demokratie. Wir sind Zeugen einer beunruhigenden Unsicherheit und  Ratlosigkeit. Kriminalitätsfurcht, Angst um den Arbeitsplatz und die Altersrente schaffen nicht das Milieu, in dem demokratische Bürgertugenden wie politischer Verantwortungssinn, Kritikverträglichkeit und Toleranz gut gedeihen. Das sind unvermeidlich Zeiten eines steifen Gegenwindes für diejenigen, die die Verfassung der Freiheit verteidigen.
Beispielhaft ist das jüngst an der Auseinandersetzung um den sogenannten großen Lauschangriff deutlich geworden.


Diese erst nach dem Erscheinen der letzten Auflage dieses Bandes am 1. April 1998 in Kraft getretene Änderung des Grundgesetzes sei kurz vorgestellt. Sie betrifft das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. In den neu gefassten Absätzen 3 bis 6 des Art. 13 GG wird es zum Zwecke der Strafverfolgung gestattet, das gesprochene Wort in einer Wohnung abzuhören und aufzuzeichnen, in der sich der Beschuldigte vermutlich aufhält. Allerdings gilt das nur im Falle des Verdachts einer besonders schweren Straftat und setzt eine befristete richterliche Anordnung voraus. Auf diese Weise – so die Amtliche Begründung – hofft man, das in der Zunahme begriffene organisierte Verbrechen wirksamer zu verfolgen.



Die heftige öffentliche Kontroverse über die Notwendigkeit und Tauglichkeit der  Abhörmaßnahmen sowie die damit verbundene Einschränkung des Grundrechts machen wieder einmal bewusst, daß die
Demokratie „ein zukunftoffenes und riskantes Projekt“ ist (Kurt Lenk). Riskant deshalb, weil wirtschaftliche oder gesellschaftliche Krisen dazu führen können, daß Garantien unseres Rechtsstaates ausgehöhlt werden. Das Scheitern der Weimarer Republik ist das abschreckende Beispiel.  Diese ist – das sollten wir nicht außer Acht lassen – nicht an dem unbeirrten Gebrauch der Freiheitsrechte, sondern an eingewurzelten obrigkeitsstaatlichen Traditionen gescheitert. Es kommt daher nicht von ungefähr, daß sich Seebohm, ein Mitglied des Parlamentarischen Rates, während der Beratung auf eine Lebensweisheit Benjamin Franklins berufen hat: „Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“



Mit unserem gegenwärtigen Rückblick auf die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 feiern wir die Anfänge deutscher Demokratietradition. Romantisches verklären ist jedoch fehl am Platz, wenn man sich der historischen Konflikte vergewissert. Erfüllte Hoffnungen, selbst wenn sie die Gestalt von verbrieften Verfassungsrechten angenommen haben, sind nicht sakrosankt. Nicht nur das Scheitern der Weimarer Republik hat uns diese Lehre erteilt. Die Freiheitskämpfe vor 150 Jahren als ein Vermächtnis anzunehmen, bedeutet daher die Pflicht, die Grundwerte unserer Verfassung mit aller Kraft zu bewahren.
Denn Gleichgültigkeit und Passivität in Fragen der Menschen- und Freiheitsrechte sind Kennzeichen einer Diktatur. Kritische Bürgerloyalität dagegen ist der Unterpfad der Freiheit. Das mit diesem kleinen Band eröffnete Wissen über die Aufbauprinzipien unserer Verfassungsordnung ist eine notwendige Grundlage auf dem beschwerlichen Weg zu einer humanistischen Tradition.



Remember:

Darüber hinaus haben sie sich zum Vorrang der Verfassung bekannt.
 
 
 

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    Abgeordnetenwatch.de

    Grußwort von Prof. Dr. Jutta Limbach

    Abgeordnete sind, so bestimmt es das Grundgesetz, Vertreter des ganzen Volkes. Insofern dürften den Möglichkeiten der Einbeziehung von Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Auseinandersetzung mit ihren Vorstellungen im politischen Entscheidungsprozess kaum Grenzen gesetzt sein.

    www.abgeordnetenwatch.de hat sich zum Ziel gesetzt, mithilfe moderner Kommunikationswege die Demokratie zu stärken und zu beleben. Es gilt: je transparenter die Arbeit von Politikern und Politikerinnen, desto leichter ist die Beteiligung des Einzelnen an der Diskussion und desto größer ist die Wirksamkeit der Impulse aus der Bevölkerung. Eine stabile Demokratie lebt von der Meinungsfreude ihrer Bürgerinnen und Bürger. Wer sich dem verweigert und hier Vorsicht walten lässt, verkennt den Wert einer staatsbürgerlichen politischen Kultur.

    Selbstverständlich muss jeder und jede Abgeordnete selbst darüber entscheiden können, welche Art der Kommunikation er oder sie bevorzugt. So kann schon der inzwischen geprägte Begriff der "E-Demokratie" leicht befremdlich wirken. Doch sollten wir uns gegenüber größtmöglicher Bürgernähe und neuen Möglichkeiten der Beteiligung an der politischen Willensbildung allgemein offen zeigen. Denn die Wachsamkeit des Einzelnen – das wissen wir nicht erst seit dem Scheitern der Weimarer Republik – ist ein Unterpfand von Demokratie und Freiheit.

    Initiativen wie diese können die parlamentarischen Entscheidungsprozesse nur beleben. Sie machen Politiker empfänglicher für gesellschaftliche Probleme und Bedürfnisse und sorgen damit auch für einen Legitimitätsgewinn der Entscheidungen selbst. Bei allem Respekt gegenüber der parlamentarischen Entscheidungshoheit gilt schließlich: alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.